Interview mit Peter Cubasch

Aug 28, 2024 | Interviews

Sport- und Musikpädagoge, Universitätslehrer, Psychotherapeut (IT),
IMAGO-Paartherapeut, Musik- und Bewegungstherapeut,
Lach- und Atemlehrer

Herr Cubasch, wie geht es Ihnen?

Danke für die Frage. Mir geht es sehr gut. Ich bin seit einigen Jahren in Pension und mache jetzt vorwiegend das, wofür mein Herz schlägt und was ich gerne in die Welt bringen möchte. Ich bin noch sehr gerne tätig, gebe Kurse und schreibe gerade mit einem Kollegen an einem Buch zum Thema Selbstberührung. Ich habe das große Glück, mit über 70 noch gesund und vital zu sein. Für diese guten Gene bin ich meinen Eltern dankbar. Aber auch ich habe viel dazu beitragen können, meine Gesundheit zu erhalten. Dazu gehörte ein Studium mit den schönen Fächern Sport und Musik, ein weiteres Studium in Musik und Tanz und dann die so wunderbaren Ausbildungen in Integrativer Leibtherapie, Atemtherapie und Ayurveda Yoga. Damit ist es mir immer gelungen, krankmachenden Stress von mir fernzuhalten. Darüber freue ich mich, und das gebe ich gerne weiter.

Sie bieten ein breites Spektrum an Therapien an, wie Atemtherapie, Lachtherapie, Musiktherapie und Psychotherapie. Geben Sie uns Einblick in diese verschiedenen Therapien.

Es würde mehrere Bücher füllen, auch nur einen kleinen Einblick in diese umfangreichen Therapieverfahren zu geben. Aus meiner Perspektive jedoch möchte ich hervorheben, dass all die von mir gewählten Therapien sehr menschenfreundlich und entwicklungsfördernd sind. Das Verbindende dabei ist wohl das dahinter liegende, ganzheitliche Menschenbild, das einen Menschen als Körper-Seele-Geist-Einheit im Kontext des Lebens und im Kontinuum der Zeit versteht. Das eröffnet den Blick nicht nur in die – oft von Störungen, Defiziten, Gewohnheiten überschattete – Vergangenheit, sondern auch in eine positiv gestaltbare Zukunft. In all meinen Tätigkeiten stand stets die unzerstörbare, lebensfördernde Kraft des Atems im Mittelpunkt. Enttäuscht darüber, wie wenig Menschen sich für diese von Ilse Middendorf und Herta Richter beeinflusste Atemarbeit interessierten, entschloss ich mich, das Lachen in meine Arbeit zu integrieren. Wenn ein Mensch zum Lachen kommt, atmet er intensiv und richtig, das war mir klar. So kam ich zum Lachyoga nach Madan Kataria und schließlich auch zu HumorCare. Dieser gesundheitsfördernde Befreiungsprozess geht für mich weiter: So lautet z.B. ein von mir angebotenes Seminar „Tierisch gesund“. Dort kommen wir mit unseren basalen, biologischen Vitalreflexen in Berührung, die den meisten schon früh und gründlich aberzogen wurden – mit Gähnen, Dehnen, Seufzen, auf dem Boden Rollen und Krabbeln und die Stimme in verschiedenen Lautäußerungen Freigeben, mit Muh und Mäh und vielem mehr. Dieser spielerische Zugang verzichtet jedoch nicht auf die Bezugnahme zu Stresstheorien und Neurobiologie. Denn es gibt noch viel zu tun auf dem Weg zu einer emanzipierten und heiteren Gesundheitsentwicklung.

Ihr Gähn-Buch wurde einer von mehreren Erfolgen Ihrer Autorentätigkeit. Was hat Sie bewogen, dieses Thema aufzugreifen?

Der nächste für mich folgerichtige Schritt nach dem Atem und dem Lachen war es, das Gähnen genauer zu untersuchen. Das war mir als Musiker, Sänger und als Atemtherapeut natürlich vertraut. Aber unklar war mir, warum Menschen beim und nach dem Lachen so viel gähnen mussten und sich oft vergeblich bemühten, es zu unterdrücken. Kurz gesagt: Lachen befreit nicht nur das Zwerchfell, sondern auch von Scham und strengen Erwachsenenkonventionen. Inzwischen habe ich schon zahlreiche Gähnkurse gegeben und Chasmologen (Gähntrainer) ausgebildet. Gähnen erweist sich als fundamentaler Lösungsprozess und basale Atemübung. Es hilft, Stress und Verspannungen abzubauen, und kann einen gesunden Grundtonus herstellen. Es wirkt aber nicht nur lösend auf Atmung und Gelenke, sondern auch auf den Geist. Es freut mich sehr, dass dieses Thema allmählich in den Medien ankommt und zunehmend Akzeptanz findet.

Setzen Sie in Ihren Therapien auch das Gähnen ein?

In meinen Therapien und Ausbildungen ein setze ich alles ein, was ich gelernt habe und womit ich mich gut auskenne. Die Frage ist allerdings immer, ob es für die Patientin oder den Patienten passt. Schon oft habe ich erlebt, dass gerade nach einem befreienden Lachen, einem entspannenden Gähnen oder einer beruhigenden Atemübung relevante und tiefer verborgene Themen wie von selbst an die Oberfläche kommen.

Sie bieten umfangreiche Workshops in Europa und Asien an. Erzählen Sie uns davon?

Die Zeit meiner weiten und langen Reisen liegt nun schon einige Jahre zurück. Meine Lehrtätigkeit am ORFF-Institut des Mozarteums in Salzburg hat mir diese Reisen ermöglicht. Überall auf der Welt hat man sich damals für die „ORFF-Methode“ interessiert. Auch ihr liegt ein körperorientiertes, ganzheitliches und kreatives Menschenbild zugrunde. Ausgangspunkt jeder künstlerischen Erziehung sollten immer die Muttersprache in Reimen und Kinderliedern sowie die im jeweiligen Land gebräuchlichen traditionellen Tänze und Instrumente sein. Aus einem kleinen Kindervers lassen sich Rhythmus, Melodie und Tanz entwickeln und szenisch kreativ gestalten – lange bevor es darum geht, Noten zu lernen oder irgendwelche Techniken für den Körper oder das Instrumentalspiel zu erwerben. Fortschrittliche Musikpädagogen und -pädagoginnen schätzen diesen Ansatz sehr, daher wurde ich zu seiner Verbreitung als Musikpädagoge z.B. mehrfach nach Taiwan und China und in verschiedene Länder Europas eingeladen.

Sie bieten Kurse in Selbstberührung an und nennen das Idiopraxie. Können Sie uns das erklären?

Ihr Interesse an diesem Thema freut mich sehr, ist doch gerade ein Buch zu diesem Thema in der Endphase. Auch zwei Universitäten werden die Methode in naher Zukunft klinisch erproben. Das Thema Selbstberührung ist mir seit vielen Jahren aus der Atemarbeit und Leibtherapie vertraut. Wenn es darum geht, eine Körperregion und den Atem an einem Ort deutlicher ins Erleben zu bringen, bietet es sich an, diesen Ort mit den eigenen Händen zu berühren und sensibel zu machen. Daraus habe ich zusammen mit dem Psychotherapeuten und Therapieforscher Markus Böckle eine eigene Methode entwickelt, die Idiopraxie®. Die neusten Forschungsergebnisse zum Thema „Berührung“ aus Neurobiologie und Haptikforschung werden in das Buch einfließen. In der bewussten, absichtsvollen (intentionalen) Selbstberührung bzw. Idiopraxie wird eine Person systematisch dazu angeleitet, sich selbst zu berühren und mit ihrem Körper vertraut zu machen. Das Besondere bei diesem emanzipatorischen Ansatz besteht darin, dass die Person Berührte und Berührende in Personalunion ist. Sie erfährt am eigenen Leib, wie ihre Berührungen wirken, und kann lernen, sich so zu berühren, dass es sich positiv und stimmig anfühlt. Wer sollte besser wissen, wie es einer Person geht und was sie braucht, als die Person selbst? Mit dieser innovativen Methode kann eine Person selbstwirksam, kompetent und eigenverantwortlich etwas für ihr Wohlbefinden und ihre Gesundheit tun.

In Ihren Workshops arbeiten Sie auch mit Humor. Wie wenden Sie den Humor an?

Ich wende Humor in meinen Kursen nicht als Methode an, ich bin leider auch nicht sehr mit Humor gesegnet. Meine Erfahrung bestätigt jedoch, was Madan Kataria sagt: Lach einfach – auch ohne Grund – der Humor folgt auf dem Fuß. In der Tat werden Menschen viel freier, heiterer und humorvoller, wenn sie ohne Grund lachen. Humor ist eher ein mentales und charakterliches Phänomen und nicht so leicht zu erlernen. Lachen kann also ein Wegbereiter für Humor sein. Lachyoga – also Lachen ohne Grund, ohne Schadenfreude, ohne Witz, Komik und Humor – ist primär ein motorisches und stimmliches Phänomen: Mundwinkel hochziehen und Hahaha machen. Ich beziehe mich dabei auf das Lach- und Heiterkeitsnetzwerk von Ilona Papousek und Willibald Ruch. In diesem Netzwerk wirken Freude/Glück, motorisches Lachen/rhythmisches Ausatmen und positive Gedanken zusammen. Der Eingang in dieses Netzwerk kann von jedem dieser drei Parameter aus genommen werden. Das Gefühl der Freude und positive Gedanken als Eintrittstor sind uns vertraut. Was aber kann ich tun, wenn ich nun mal keine positiven Gedanken habe und auch keine glücklichen Gefühle? Dann kann es helfen, das Netzwerk von der motorischen Seite in Gang zu setzen. Es fühlt sich anfangs meist unvertraut und komisch an, wirkt aber hervorragend. Und außerdem: Was kann man tun, wenn jemand der Sprache noch nicht oder nicht mehr mächtig, dement, fremdsprachig oder noch ganz klein ist? Lachen geht immer und überall. Und es baut Brücken zwischen den Menschen – eine menschenfreundliche Grundhaltung vorausgesetzt.