Interview mit Alfred Gerhards (Globo)

Aug 28, 2024 | Interviews

Alfred Gerhards, Gründungsmitglied von HCDA, war 30 Jahre unter dem Künstlernamen Globo als Pantomime, Clown, Komiker und Autor mit eigenen Sketchprogrammen und Bühnenshows im In- und Ausland tätig. Einzelheiten zu seinem bewegten Leben beschreibt er in seiner Autobiografie
„Der Pfirsichbeißer“ (HCD-Verlag).

Alfred, wie geht es Dir heute?

Mal abgesehen von ein paar der handelsüblichen Alterswehwehchen erfreue ich mich eines abwechslungsreichen und aktiven Daseins gemeinsam mit meiner Frau Adelheid. Das Ganze durchmischt von unerschütterlicher Lebensfreude.

Kannst Du uns einen Einblick in Deine Arbeit als Autor geben? 

Bisher habe ich lediglich einzelne Kapitel und Beiträge für Fachbücher, Magazine, Newsletter etc. zu Humorthemen verfasst. Zuletzt nun eine über 300-seitige Autobiografie mit dem Titel „Der Pfirsichbeißer“, wozu ich immer mal wieder von den verschiedensten Seiten aufgefordert wurde. („Du musst unbedingt mal ein Buch schreiben!“) Lange habe ich mich davor gedrückt, weil es einfach viel Arbeit ist. Schließlich hat mich aber Michael Titze dazu überredet, worüber ich jetzt sehr froh bin. Falls ich mal dement werden sollte und dabei mein eigenes Leben vergesse, brauche ich ja nur mein Buch zu lesen. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob ich dann glaube, was ich gerade lese.

Du bist viel auf Reisen. Kannst Du Deine inspirierendste Reiseerfahrung teilen, und wie sie Deine Arbeit beeinflusst hat?

Eine Begegnung in Papua-Neuguinea bleibt für mich unvergesslich: In einem Ort in der Nähe von Rabaul besuchte ich einen einheimischen Markt, dort war ich der einzige Fremde. Neugierig wurde ich betrachtet und war bald umringt. Jemand bot mir eine Frucht an und forderte mich auf, diese zu probieren. So eine Frucht hatte ich noch nie gesehen und wusste daher nicht, welche Geschmacksrichtung mich erwarten würde. Ich biss hinein und verzog das Gesicht ob des unerwartet sauren Geschmacks. Die Einheimischen lachten vergnügt, dies war aber in keiner Weise aggressiv oder hämisch, sondern eher eine unschuldig kindliche Freude.

Nun wurde mir eine Frucht nach der anderen gereicht. Das belustigte Völkchen war äußerst neugierig auf meine Reaktion. Jetzt spielte ich bewusst mit der Erwartung, indem ich entweder übertrieben mimisch und körpersprachlich reagierte. Da gab es dann kein Halten mehr. Die Menschen lachten, johlten, klatschten in die Hände und hüpften vor Freude. Als ich dann bewusst gegenteilig reagierte, d.h. auf etwas Bitteres eine Süßreaktion und bei etwas Süßem eine Sauerreaktion zeigte, brachen alle Dämme. Ich wurde umringt, umarmt, hochgehoben und in die Luft geworfen. Ich empfand ein enormes Glücksgefühl, weil es plötzlich so einfach war, nur über Mimik, Gestik und Körpersprache eine so starke Reaktion und emotionale Verbindung hervorzurufen.

Diese Situation habe ich mir später immer mal wieder ins Gedächtnis gerufen, wenn ich dabei war, für ein Bühnenprogramm zu aufwendig und kompliziert an eine Idee heranzugehen. 

Hamburg ist Deine Heimatstadt. Welche Aspekte dieser Stadt haben Dich in Deiner Arbeit besonders geprägt?

Hamburg ist seit zehn Jahren meine Wahlheimat, ursprünglich stamme ich aus Aachen. Hamburg hat sich das Prädikat „Freie und Hansestadt“ gegeben. Dies wird hier sehr hochgehalten, auch im Sinne von Weltoffenheit, Toleranz, Unvoreingenommenheit und Unabhängigkeit. Auf diese Aspekte will ich mich auch besinnen, sowohl bei meiner Arbeit als auch darüber hinaus.

Humor ist ein wichtiger Bestandteil Deiner Schreibweise. Wie nutzt Du Humor, um Deine Leser zu unterhalten und gleichzeitig wichtige Botschaften zu vermitteln?

Mir war von Anfang an wichtig, so zu schreiben, dass meine Leserinnen und Leser die Situationen konkret nachempfinden können, so als wären sie hautnah dabei gewesen. Meine Autobiografie setzt sich im Wesentlichen aus vielen in sich abgeschlossenen Geschichten und Anekdoten zusammen. Ich achte dabei auf einen dramaturgischen Aufbau mit Spannungsbogen und Schluss Pointe. Das hat dann eine ähnliche Struktur wie ein Bühnensketch. Dabei schreibe ich nicht nur über die erfolgreichen Situationen und Stationen meines Lebens, sondern noch viel lieber über Pannen, Missgeschicke, Niederlagen und Blamagen. Das schafft für den Leser Identifizierungsmerkmale, die zeigen, dass er nicht alleine mit den Alltagskatastrophen dieser Welt ist.

Außerdem lässt sich gut lachen über Dinge, die einem bekannt und vertraut sind. Eine unterschwellige Botschaft in meinem Buch ist unter anderem die Ermutigung, sich auf neue Dinge einzulassen, seinen eigenen Stärken zu vertrauen und Scheitern nicht unbedingt als Niederlage zu betrachten, sondern als Hinweis, etwas anderes auszuprobieren.

Alfred, Du arbeitest ja auch als Clown. Beschreibst Du uns diesen Teil Deiner Arbeit, um den Lesern einen Einblick zu gewähren?

Bis vor ein paar Jahren habe ich mich überwiegend pantomimisch dargestellt, mit akrobatischen Elementen wie Jonglieren, Einradfahren, Balancierrolle etc. Mittlerweile habe ich mehr und mehr die Sprache als Ausdrucksmittel entdeckt, so dass meine Vorstellungen jetzt stärker ins Kabarettistische gehen. So zum Beispiel mit meinem Programm „Das Lächeln am Fuße der Bahre: Sterben, Trauer und Humor“. Aber auch hier, sowie bei anderen Vorträgen, setze ich weiterhin Mimik, Gestik und Körpersprache ein. Diese Ausdrucksformen verstärken das Inhaltliche enorm und stellen zusätzlich eine starke emotionale Verbindung zum Publikum her.

Gibt es bestimmte Gewohnheiten oder Rituale, die Dir beim Schreiben helfen?

Das Wichtigste beim Schreiben ist für mich ein fester Arbeitsplatz, der gut aufgeräumt und hell genug sein muss. Alles, was ich sonst noch brauche, sind ein Schreibblock und gut gleitende Stifte, die sollten stets am Platz sein. Das ist eine Voraussetzung, um auch innerlich sortiert und aufgeräumt zu sein. Ansonsten gab es beim Schreiben des „Pfirsichbeißers“ ein Ritual: Immer, wenn ich frühmorgens auf der Terrasse unserer indischen Ferienwohnung ein neues Kapitel angefangen habe, bekam meine Frau Adelheid den ersten Satz von mir vorgelesen. Wenn sie diesen dann genauso gelungen fand wie ich, brachte mich das in eine positive Stimmung, so dass anschließend der Stift beschwingt und wie von Geisterhand gelenkt über das Papier glitt. Ich schrieb das Kapitel zu Ende und las dann voller Neugier, welche Gedanken auf meinen Block gepurzelt sind.

Abschließend: Was können Deine Leser*innen und Fans von Dir in naher Zukunft erwarten? Gibt es neue Projekte oder Bücher, an denen Du arbeitest?

An einem neuen Buch arbeite ich momentan nicht, doch ich habe vor einigen Monaten ein komplett neues Bühnenprogramm fertiggestellt, mit dem Titel „RABATZ MIT RINGELNATZ“. Es handelt sich dabei um Texte von Joachim Ringelnatz, die ich frei vortrage, natürlich mit stark mimischem und körperlichem Einsatz. Dazu gibt es noch die Moderation, Kommentare, Tanzeinlagen und Biografisches über das äußerst spannende Leben von Joachim Ringelnatz.