Mein Weg zum Humorberater…
Meinen Werdegang beginne ich immer mit einem Zitat von Vicco von Bülow bzw. „Loriot“. Er sagte auf die Frage nach seinem Beruf: „Die berufliche Frage ist bei mir eigentlich nie ganz gelöst worden.“ Und so ist es auch bei mir: Ich bin Tischler, Berufsschullehrer, Schauspieler, Regisseur, staatlich geprüfter Darsteller für Clowntheater und Komik, Klinikclown, Theaterstückautor, Übersetzer, Nachrichtensprecher beim Radio, Theaterpädagoge und eben auch Humorberater.
Seit meinem elften Lebensjahr spiele ich Theater. Angefangen in einem Familienzentrum mit Kindertheater, später dann beim Niederdeutschen Theater Delmenhorst. Außerdem viele Solo-Auftritte als Parodist auf Geburtstagen, Vereinsfeiern, Karnevalssitzungen, Firmenfeiern, bei Kleinkunstwettbewerben uvm. Sogar ein Auftritt bei „Verstehen Sie Spaß?“ war dabei.
Zeit meines Lebens wollte ich immer Schauspieler werden. Das wollten meine Eltern aber nicht. Ihr Plan war, dass ihr Sohn etwas Bodenständiges lernt. Handwerk hat goldenen Boden. In einem Praktikum in den Osterferien erarbeitete ich mir meinen Ausbildungsplatz zum Tischler. Nach drei Jahren Lehre kam der Zivildienst dazwischen. Diesen absolvierte ich in einem Kindergarten und kümmerte mich um ein schwerst mehrfach beeinträchtigtes Kind. Danach wollte ich dann endlich den Weg zum Schauspieler einschlagen, aber eine private Schauspielschule war einfach zu teuer und ein Abitur für eine Hochschule hatte ich nicht. Somit wollte ich meine Tischler-Ausbildung mit einem Studium in Richtung Theater verbinden und absolvierte zunächst die Fachoberschule Gestaltung mit dem Schwerpunkt Bühnenbilddesign, um dieses später zu studieren.
Mit einer Mappe unterm Arm wollte ich mich an der Hochschule Hannover vorstellen, doch ich merkte schnell, dass mir diese Art der Kunst nicht gefiel. Mit der Option, doch kein Schauspieler zu werden, hatte ich mich mittlerweile abgefunden, da ich beim Niederdeutschen Theater Delmenhorst und als Parodist viele Auftritte hatte.
Und als qualifizierter Tischler wollte ich weiter studieren: Nach zwei erfolglosen Semestern Studium „Holzingenieurwesen“ an der Fachhochschule Hildesheim habe ich mich für das Berufsschullehramt entschieden. Alles nicht humorvoll. Während meines Studiums hatte ich dann die große Chance in der Castingshow „Bully sucht die starken Männer“ die Rolle des Wikingers „Gorm“ im Kinofilm von Bully Herbig zu bekommen. Ich erreichte im Finale den undankbaren zweiten Platz, aber in mir keimte wieder der Wunsch nach der Ausbildung zum Schauspieler, aber mittlerweile war mein Weg zum Berufsschullehrer geebnet. Auslöser war eigentlich der Zivildienst im Kindergarten. Wie konnte ich nun Pädagogik und Holztechnik verbinden? Das Studium an der Leibniz Universität zum Berufsschullehrer machte es möglich. Studienfächer: „Holztechnik“ und „Sonder-/ Sozialpädagogik in der beruflichen Bildung. 2009 der „Bachelor of Science“ und 2011 „Master of Education“. Jawohl! Während des ersten Semesters in Hannover, habe ich noch im Studentenwohnheim „Hufelandstraße“ in einem knapp 14 Quadratmeter großen Zimmer gewohnt. Nachdem ich aber gemerkt habe, dass zwei Kommilitonen täglich aus Nienburg und Achim pendelten, war für mich klar: Pendeln ist auch zwischen Delmenhorst und Hannover möglich. Schon ab dem Sommersemester 2006 klingelte der Wecker um 4:45 Uhr, da der Zug nach Hannover um 5:38 Uhr ab Delmenhorst und dann ab 6:18 Uhr ab Bremen Hauptbahnhof fuhr. Eigentlich sollte der Zug immer um 7:38 Uhr in Hannover ankommen. In den fünf Jahren war das aber nur zu knapp 20 Prozent der Fall. Zum Glück gab es das akademische Viertel „cum tempore“.
Das Sommersemester 2006 war gerade zwei Wochen alt und ich überlegte, ob das Studium der richtige berufliche Lebensweg war. Mittwochs stand immer „Grundlagen der Werkstoffchemie II“ (organische Chemie und Polymerchemie) auf meinem Stundenplan. Eine Veranstaltung, die für mich mehr einer Strafe glich als einem selbstgewählten Studium. Der Professor begrüßte verspätete Studenten immer persönlich vor dem gesamten Auditorium. Mich kannte er aufgrund der verspäteten Züge gut. Ich stellte mich also diesen Mittwoch wieder auf die persönliche Begrüßung „Guten Morgen Herr Weise, schön, dass sie es auch geschafft haben!“ ein. Doch dieser Mittwoch begann anders: Es war ein sonniger Mittwoch im April. Die Sonne bahnte sich mit ihren Frühlingsstrahlen den Weg durch den Morgen. Der typische Frühlingsgeruch lag in der Luft. Zufällig gehörte dieser Tag zu den 20 Prozent der pünktlichen Züge. Sogar die Anschlüsse zu den Straßenbahnen haben ohne Zeitverzögerung geklappt. Somit war ich sogar vor acht am Universitätsbereich der Herrenhäuser Straße. Normalerweise hatte ich nie Zeit, um mir einen Kaffee zu kaufen, doch an diesem Morgen war ich so pünktlich am „Institut für Berufswissenschaften im Bauwesen“, dass selbst die kleine Mensa noch nicht offen war. Um acht Minuten vor acht stand ich vor der Tür zur Mensa. Die Frauen bereiteten alles für die Eröffnung vor, aber die Rollläden vor der Theke waren noch geschlossen – auch der Kaffeeautomat war nicht erreichbar. Somit machte ich mich zunächst auf den Weg zur Toilette. Vorbei an vielen Plakaten zu diversen aktuellen und vergangenen Studentenpartys, Kinofilmen und selbstgeschrieben Wohnungsanzeigen mit kleinen Abreißzetteln. Davor ein Tisch mit vielen Flyern. Ich vermutete, dass sich niemand für diesen Tisch verantwortlich fühlte, denn es war mehr ein „Ablagetisch“ mit unzähligen Stapeln von Flyern und kleinen Heftchen, die durcheinander und nicht sortiert herumlagen. Die Flyerlieferanten, legten die neuen Heftchen einfach nur auf die alten, ohne zu schauen, ob etwas entsorgt werden konnte. Unaufgeräumte Tische gefallen mir eigentlich gar nicht. Deswegen ist der Schreibtisch, an dem ich gerade arbeite, auch total aufgeräumt. Eigentlich ist er immer total aufgeräumt. Vielleicht blieb mein Blick auch deswegen so lange auf diesem unsortierten „Stapel – Heftchen – Flyer – Tisch“ im Flur vor der Mensa hängen. Vielleicht dachte ich mir aber auch in meinem tiefsten Inneren: „Den musst du gleich mal aufräumen. Du hast ja noch so viel Zeit bis zur Vorlesung! Einfach alle alten Hefte und Flyer entsorgen und die aktuellen nach Größe sortieren und aufgeräumt auf den Tisch legen. So wäre es viel übersichtlicher und schöner. Dann greift ein potentieller Interessent auch schneller zu.“ Nach dem Toilettengang hatte die Mensa immer noch nicht auf. Der Kaffee musste weitere warten. Vielleicht haben sie den Part der Deutschen Bahn übernommen und waren heute ausnahmsweise Mal unpünktlich?
Mein Blick ging wieder auf den unaufgeräumten Tisch und ich schaute mir einige Exemplare an. Unter einem Stapel Flyer für das „Unikino“ schaute ein längliches grau-weißes Heft im Querformat hervor. Auf dem Heft war ein Clown mit Zylinder und einer Glaskugel zu sehen. Zu lesen war „TUT Schule für Tanz, Clown & Theater“, eingebunden in einem Fuß mit einem roten Zeh. Außerdem die Adresse. Es war das Programmheft für das 2. Halbjahr 2006.
Ich blätterte es kurz durch und steckte es in den Rucksack. Eine Schule für Tanz, Clown und Theater. Irgendwie klang das spannend. Mittlerweile öffnete die Mensa. Ich kaufte mir einen Kaffee und ging in den Hörsaal. Ich war einer der ersten, und diesmal begrüßte ich meinen Professor persönlich als er den Raum: „Guten Morgen, schön, dass ich diesen Moment erleben darf!“ Wir mochten uns nicht wirklich.
Die Vorlesung begann und bei der Folie „Reaktion der Alkene mit KMnO4“ holte ich das Programmheft aus der Tasche. Zum ersten Mal las ich von der Ausbildung Clowntheater und Komik am TuT. Den ganzen Tag und den Rest der Woche begleitete mich der Gedanke, mich dort zu bewerben. Ein zweites Mal zu „scheitern“ und ein Studium erneut abzubrechen wollte ich aber nicht. Die Entscheidung war gefallen: Ich will Lehrer werden. Somit verschwand das Programmheft in meinen Unterlagen. Übrigens konnte ich das Modul „Grundlagen der Werkstoffchemie II“ am Ende des Semesters mit „Elektrotechnik und Optik“ ausgleichen…
Zum Ende des Masterstudiums fiel mir wieder der Programmflyer vom TuT in die Hände und ich bestellte im Juni 2010 die Infomappe. Sollte ich nach dem Studium die Ausbildung „Clowntheater und Komik“ beginnen und das Referendariat verschieben? Oder sollte ich lieber parallel zum Referendariat die berufsbegleitende Ausbildung anfangen? Einige sagten zu mir, dass das Referendariat sehr anstrengend werden würde und ich mich nur darauf konzentrieren sollte. Aber bekomme ich überhaupt einen Referendariatsplatz? Irgendwie wollte ich mich nach den vielen Jahren „Hobby-Theater“ im Bereich „Theater“ professionalisieren. Es sollte aber auch etwas sein, das ich auch irgendwann für die Schule nutzen könnte und so entschied ich mich gegen die „Clownausbildung“ und absolvierte von September 2011 bis Dezember 2012 die Fortbildung „Theaterpädagogik“ am „Theaterpädagogischen Zentrum Lingen“. Von November 2011 bis April 2013 absolvierte ich parallel mein Referendariat an der BBS II Delmenhorst. Was passiert aber nach dem Referendariat? Werde ich übernommen? Bekomme ich eine Planstelle? Das Referendariat dauerte bis April 2013, Die berufsbegleitende Clownausbildung begann ab Mai 2013? Zufall?
Statt des Auswahlseminars belegte ich zwei Clownsseminare für Anfänger. Das erste Mal „Clown“ durfte ich bei Ralf Höhne vom 1. bis 3. Juni 2012 erleben. Es war so aufregend. Ich lernte zum ersten Mal den legendären „Klatschkreis“ kennen. An die Übung „Clowns auf dem Jahrmarkt“ oder die Impro mit Plastiktüten am Samstag erinnere ich mich gerne zurück. Es war so absurd für mich als Erwachsener und machte trotzdem Spaß. Vom 16. bis 18. November 2012 lernte ich Dieter Bartels kennen. Er leitete das Seminar „Clown für Anfänger“. Am Freitag notierte ich mir Dieters Satz: „Durch den geöffneten Mund soll sich der Verstand ausschalten.“ Am Sonntag fuhr ich dann überglücklich und voller Hoffnung nach Hause. Schließlich war es mein letztes Seminar und ich hoffte auf eine Reaktion vom TuT.
Am 11. Dezember 2012 erhielt ich um 15:23 Uhr eine E-Mail mit dem Betreff „Jawohl“ von Dieter Bartels. Darin stand: „Lieber Markus! Wir haben heute über deine Aufnahme an unserer Schule beraten. Herzlich Willkommen in der BBA 12! Nach der offiziellen Aufnahmewoche für alle anderen Bewerber werden wir dir einen Ausbildungsvertrag zustellen.“
Jetzt war ich amtlich: Ich werde Darsteller für Clowntheater und Komik. Im Dezember 2016 erhielt ich feierlich mein Zeugnis mit Auszeichnung. Durch einen Zufall wurde ich 2017 am Packhaustheater Bremen engagiert. Als Übersetzer von Theaterstücken ins Plattdeutsche bin ich mit dem Intendanten der Comödie Dresden, Christian Kühn, befreundet. Viele seiner Stücke habe ich ins Plattdeutsche übersetzt (z.B. „Machos auf Eis“, „Tussipark“ oder „Zickenzirkus“). Christian Kühn teilte damals einen Castingaufruf auf Facebook für seine Komödie „Scharfe Brise“ am Packhaustheater Bremen (jetzt „Komödie Bremen“). Prompt bewarb ich mich darauf, wurde auch zum Vorsprechen eingeladen und bekam die Rolle des etwas tollpatschigen Rettungsschwimmers „Patrick“. Nun stand ich auf einer Profibühne und war richtiges Ensemblemitglied in einem richtigen Theater. Durch den Theaterverbund Schakinnis konnte ich an der Komödie Bielefeld, der Komödie Kassel auf dem Theaterschiff Bremen und auf dem Theaterschiff Lübeck in vielen Stücken („Wetten, dass…?“, „Landeier 2“, „Hi Dad! Hilfe. Endlich Papa.“, „Hitparade“ u.a.) mitwirken. Seit 2021 gehöre ich zum festen Ensemblemitglied vom neuen „Boulevardtheater Bremen“ und stehe fast fünf Mal auf den bekannten Brettern, die die Welt bedeuten. Natürlich liegt es nahe, dass ich vorwiegend komische Rollen spielen. Das war schon zu meiner Zeit beim Niederdeutschen Theater Delmenhorst so. Ebenso habe ich zu dieser Zeit als Regisseur u.a. am Stadttheater Bremerhaven, bei der Niederdeutschen Bühne Varel und Brake als Regisseur gearbeitet.
2017 absolvierte ich neben meinen ersten Theaterengagements im Profibereich die Weiterbildung zum Klinikclown. Bis vor Corona habe ich regelmäßig als Klinikclown „Bruno“ auf einer Kinder- und Jugendstation in Bremerhaven Kinder und Jugendliche besucht. Während der Ausbildung zum Klinikclown wuchs mein Interesse am wissenschaftlichen Bereich des Humors. Was bewirkt Humor? Kann man Humor trainieren? Waren nur zwei Fragen, die mich beschäftigten. Nach einem Abend googeln hatte ich den Verein HumorCare gefunden, füllte einen Mitgliedsantrag aus und meldete mich für die Module „Basiswissen der Humor und Lachforschung“, „Körpersprache und Rhetorik“, „Lachtherapie und Lachyoga“, „Humor in der Pädagogik“ und „Humor im Unternehmen“ an.
Die Ausbildung in Tuttlingen habe ich sehr genossen. Für mich als Norddeutscher ist es immer eine kleine Weltreise nach Baden-Württemberg gewesen. Dennoch war die Ausbildung sehr familiär und mit vielen theoretischen wie praktischen Inhalten gefüllt. Mittlerweile liegt mein Schwerpunkt durch meine „normale“ Arbeit als Berufsschullehrer im Thema „Humor in der Schule und im Unterricht“ bzw. „Humor in der Pädagogik“ sowie „Humor im (Berufs-) Alltag“. Für Lehrkräfte habe ich bereits am Oldenburgischen Fortbildungszentrum diverse Fortbildungen zum Thema „Humor in der Schule“ gegeben. Ebenso gibt es im Rahmen der Berufsschullehrerausbildung am Studienseminar Oldenburg das Wahlmodul „Humor in der Schule und im Unterricht“. Einmalig in Niedersachsen! Aber auch Fortbildungen zum Thema „Humor in der Pflege und Betreuung“ habe ich an diversen Standorten bereits durchgeführt.